Wo wir heute stehen

 

Nach dem kompromisslosen Totalausbau ist der bayerische Lech als Staustufenkette heute überwiegend ein Hybridgewässer, nicht Fluss, nicht See. Mit 20 riesigen Staustufen allein zwischen Füssen und Augsburg, vier weiteren großen Staustufen nördlich von Augsburg und einer Reihe von Wehren ist er der am dichtesten verbaute Fluss Bayerns. In den Staustufen versanken einzigartige Lebensräume, nahezu sämtliche Wildflussstrecken mit ihren Kies- und Sandbänken sowie bis auf wenige Reste Auwälder und Heideflächen. Diese Entwicklung ist als historisches Faktum hinzunehmen, nicht jedoch die erheblichen von den Kraftwerksbetreibern zu verantwortenden Mängel. So weist von den 20 Staustufen der Uniper Kraftwerke GmbH (vormals E.ON Kraftwerke GmbH) zwischen Füssen und Augsburg lediglich die Staustufe 8a ein Umgehungsgerinne auf. Derzeit (Stand Januar 2016) entstehen – gemessen an der Zielsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie reichlich verspätet – Fischaufstiegshilfen nur an Stau 18 und 23. Noch immer weisen alle älteren Staustufen bezüglich Ufergestaltung und Stauwurzelbereich den ökologischen Null-Standard der Bauzeit auf. Durch den Schwellbetrieb büßen selbst letzte Fließstrecken ihre ökologische Funktion weitgehend ein (In Staustufe 23 schwankt der Staupegel bis zu einem ¾ Meter innerhalb von Stunden!).

 

 

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 Bild 1: Forggensee im Winter: eine Schlammwüste  Bild 2: Illasschlucht nach dem Absenken des Wasserspiegels
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Bild 3: Stau 12 Standard der 1940 er Jahre Bild 4: Stau 19 Standard der 1980 er Jahre
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Bild 5: Sohlschwelle im Naturschutzgebiet "stadtwald Augsburg Bild 6: Stau Feldheim: auch hier bezüglich Fischaufstiegshilfe Fehlanzeige

 

Auch innerhalb der letzten Fließstrecken zeichnet sich aus wasserbaulicher wie aus ökologischer Sicht ein zunehmend desolater Zustand ab. Nachdem die Staustufen den Kiestransport seit Jahrzehnten rigoros unterbrechen, liegt heute in weiten Bereichen des Flussbettes der Flinz frei, eine Schicht, die bei natürlichen Verhältnissen von Kies bedeckt wäre. In dieser weichen Schicht tieft sich der kanalisierte Lech weiter und zunehmend beschleunigt ein. Die Folgen, u. a. ein Sinken des Grundwasserspiegels, wirken sich bis weit in die Aue hinein aus.

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 Freiliegender Flinz im Augsburger Lech
 aus ökologischer und wasserbaulicher Sicht eine Katastrophe
 

Die Anzahl der nach der Verbauung ausgestorbenen Pflanzen- und Tierarten ist erschreckend.

Zwischen Füssen und Augsburg brütet heute am Lech so gut wie kein Kiesbankbrüter mehr. Von den einstigen Schwärmen wandernder Fische sind nur noch wenige und überalterte Restpopulationen vorhanden. Erloschen sind am außeralpinen Lech die Deutsche Tamariske, der Zwerg-Rohrkolben, die sogenannte Schwemmlingsflur, die gesamte Heuschreckenfauna der Kies- und Sandbänke und zum großen Teil die wildflusstypischen Pionierarten.

 

Längere Fließstrecken weist der bayerische Lech nur noch in der Litzauer Schleife, im Naturschutzgebiet „Stadtwald Augsburg“ und, freilich nur mit minimalem Wasserstand, in Höhe des Lechkanals nördlich von Augsburg auf.

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 Bild 1: Litzauer Schleife
 Bild 2: Stadtwald Augsburg
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Bild 3: bei der Wolfzahnau (Augsburg) Bild 4: bei Stettenhofen (Nördlicher Lech)
 

Trotz dieses fortschreitenden Artenverlustes sind die letzten Auenreste, Heiden, Quellfluren, Auebäche und Auwälder in feuchter und trockener Ausprägung noch immer einzigartig. Sie sind unersetzbare Refugien für viele vom Aussterben bedrohte Pflanzen- und Tierarten. Nicht wenigen dieser Bereiche ist aufgrund ihrer besonderen Biotop- und Artenvielfalt ein europäischer Schutzstatus zuerkannt (sogenannte FFH-Gebiete). Noch immer landesweit bedeutend ist auch die Fischfauna der letzten Fließstrecken.

 

Alles in allem sind die Reste der einstigen Wildflusslandschaft auch heute noch ein Zentrum der Biodiversität (= der biologischen Vielfalt). Noch immer fungiert, wenn auch zunehmend eingeschränkt, das Lechtal als „Biotopbrücke“ zwischen den großen Naturräumen Alpen und Alb.

 

Es ist das Anliegen der Lechallianz, diese Naturräume für die Nachwelt zu erhalten. Dies kann mittel- und langfristig nur geschehen, wenn endlich grundlegende Maßnahmen ergriffen werden (siehe unter: Der Lech morgen).

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Bild 1: Quelltopf in der Litzauer Schleife Bild 2: Altwasser bei Kinsau
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Bild 3: Königsbrunner Heide (Stadtwald Augsburg) Bild 4: Schießplatzheide (Stadtwald Augsburg)
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Bild 5: Schneeheide Kiefernwald (Stadtwald Augsburg) Bild 6: Kalkflachmoor (Stadtwald Augsburg)
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Bild 7: Auwald bei Ellgau (Nördlicher Lech) Bild 8 Auwald bei der Lechmündung

Alle unabhängigen Experten sind sich einig, dass der seit Jahrzehnten vom ehrenamtlichen Naturschutz geforderten Flussrenaturierung eine Schlüsselrolle zukommt. Deshalb hat sich die Lechallianz mit Unterstützung weiter Kreise aus der Bevölkerung vehement gegen die Errichtung eines Kraftwerkes mitten im Naturschutz- und FFH-Gebiet „Stadtwald Augsburg“ bei Flusskilometer 50,4 ausgesprochen, nach hartem Ringen zunächst einmal mit Erfolg. Das von der E.ON Kraftwerke GmbH geplante Kraftwerk hätte die bestehenden Verhältnisse im wahrsten Sinne des Wortes zementiert und damit alle Bemühungen einer von der Lechallianz seit Jahren geforderten Flussrenaturierung (siehe dazu „Licca liber“) konterkariert.